08.07.2013
Sommerausstellung im Gartenreich Dessau-Wörlitz:
Die Zitrusbäumchen im Schlossgarten Oranienbaum tragen in diesem Jahr ganz besonders viele Blüten, auch schon erste kleine Früchte. Das Schloss nebst Garten und Park Oranienbaum sind eine touristische Attraktion. Dank der denkmalpflegerischen „Gartenträume“-Idee erinnert hier „noch“ und „wieder“ sehr viel an die einstige Hausherrin Henriette Catharina Prinzessin von Nassau-Oranien. Verheiratet mit Johann Georg II. von Anhalt-Dessau brachte sie ihren Namen nebst besagtem Bäumchen an diesen Ort, wo sie sich Ende des 17. Jahrhunderts ein Sommerschloss bauen ließ. „Frischer Wind in Oranienbaum. Die Sprache der Fächer“, ist der Titel einer Sonderausstellung über die Kulturgeschichte des Fächers bis heute. Sie ist bis 1. September 2013 zu sehen.Es ist einer der bislang heißesten Tage in diesem Sommer. Am liebsten möchte man sich zur Erfrischung einen der imposanten Fächer aus der Vitrine nehmen – was auch sein eigentlicher praktischer Nutzen war in Zeiten ohne Ventilator und Klimaanlage. Doch die „aktive“ Zeit dieser Fächer, als sie als Waffe der Frau bezeichnet und sogar zur Geheimsprache eingesetzt wurden, ist längst vorbei. Unter Glas dürfen sie sich ausruhen in ihrer Bestimmung, jetzt einzig dem Auge eine Freude zu sein. Das allerdings gelingt ihnen auf den ersten Blick. Gefertigt aus edlen Materialien wie Brüsseler Spitze, Elfenbein, Perlmutt oder Edelsteinen erzählen sie viel über ihre einstige Besitzerin.
Henriette Catharina Prinzessin von Nassau-Oranien besaß gewiss unzählige Fächer – der Mode entsprechend und passend zu jedem Anlass. Abkühlenden Wind musste sie sich vermutlich auf ihrem Sommersitz in Oranienbaum recht häufig zufächeln. Als Gemahlin von Johann Georg II. von Anhalt-Dessau ließ sie sich hier auf dem Lande von ihrem niederländischen Architekten Cornelis Ryckwaert ein Schloss für die warme Jahreszeit bauen. Aus dem einstigen Ort Nischwitz wurde Oranienbaum. Heute gehört Oranienbaum zum Weltkulturerbe „Gartenreich Dessau-Wörlitz“. Die Wiederentdeckung und Wiederherstellung des barocken Ensembles von Stadt, Schloss und Park auch für den Kulturtourismus ist unter anderem dem Gartenträume-Netzwerk in Sachsen-Anhalt zu verdanken. Inzwischen zu einer touristischen Marke geworden versprechen die „Gartenträume“ das Ankommen in einer authentischen Vergangenheit (www.gartentraeume-sachsen-anhalt.de).
In Oranienbaum kommt man in einem Stück Heimat an, das sich die holländische Prinzessin einst mitbrachte. Ja, selbst ihre Sprache wandelt hier wieder von Raum zu Raum. Oranienbaum ist ein beliebtes Ziel für Reisebusse aus den Niederlanden. Fahrten an Lebensorte von Mitgliedern der königlichen Familie werden gut gebucht. Königin Beatrix selbst war schon einige Male hier. Sehr am Herzen liegt ihr die „Internationale Summerschool“ für Studierende im Fach Restaurierung. Die Summerschool wurde vom
Königlichen Dienst in Den Haag und der Kulturstiftung DessauWörlitz ins Leben gerufen und lädt jährlich unter Anleitung hochrangiger Professoren ins Schloss Oranienbaum ein.
Vielleicht war es auch solch ein warmer Sommertag im vergangen Jahr, als während der „Summerschool“ die Idee von der Fächer-Ausstellung geboren wurde. Sicher war es auch die Atmosphäre im Schloss, die dem Gedanken „Aufwind“ verlieh. Im wahren Wortsinne „Königliche Fächer“ aus dem Hausarchiv in Den Haag traten bald darauf ihre Reise nach Oranienbaum an. Fächer aus den Schlössern des Gartenreiches Dessau-Wörlitz gesellten sich hinzu sowie Fächer aus bundesweiten musealen und privaten Sammlungen. Auch Porträt-Malereien, Kostüme, Möbel, Accessoires und Schmuck aus den entsprechenden Zeit-Epochen stellen sich bei dieser Gelegenheit gern wieder zur Schau. Als die einstigen Symbole für Herrschaft und Luxus schwelgen alle gemeinsam in Erinnerungen an Dessauer Hofbälle beispielsweise. Auch in Oranienbaum gab es für sie häufig Gelegenheit, sich zu treffen. Auf Empfängen im kristall-funkelnden Spiegelsaal oder rauschenden Bällen im Gartensaal und Barockgarten.
Zur feinsten Robe trugen die Damen kostbarste Fächer, oft mit Gucklöchern versehen, mit Spiegeln oder gar kleinen Fernrohren. Warum? Die Antwort verrät ein unterhaltsamer Film, der eigens für die Ausstellung gedreht wurde. Der Fächer wurde nämlich auch als leise und geheimnisvolle Sprache eingesetzt. Wie praktisch für einen Ball. Den Fächer weit öffnend in der linken Hand haltend bedeutete: Ich suche Bekanntschaft. Und in der rechten Hand haltend: Folge mir.
Apropos: Dem Ausstellungsrundgang folgend findet man dann doch noch den Fächer, der benutzt werden darf – zur Erfrischung wie auch zum Einüben der Fächersprache vor einem großen Spiegel. Eigentlich ist solch ein Fächer auch tauglich für die heutige Zeit. Ebenso dachten Studenten der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in ihrem zeitgenössischen Beitrag zur Ausstellung. Wer weiß. Vielleicht setzen sie ja mit ihren Kreationen einen neuen Fächer-Trend. Die junge niederländische Königin Maxima jedenfalls ist schon mit Fächer gesehen worden.
Wer seine Bekanntschaft mit dem Fächer vertiefen, sich gar seinen eigenen gestalten möchte, sollte eine der Sonderveranstaltungen „Der Fächer – kann man ihn noch gebrauchen?“ besuchen. Termine und weitere Informationen und Hinweise auf Veranstaltungen während des Gartenreichsommers 2013 sind im Internet unter www.gartenreich.com zu finden.
Text/Foto: Kathrain Graubaum
Link zur Bildauswahl: http://transfer.img.picworld-touristic.de/4ec998262f7a53fe484911ab09333833/
Bildunterschrift Bild 4010: Besucher der Ausstellung in Schloss Oranienbaum können auch selbst vor einem großen Spiegel die geheimnisvolle Fächer-Sprache üben.
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